Rückblick: Seminar „Irish Stick Fighting mit Test Cutting” 24. – 25. November 2018

13.03.2019

(Copyright: Hannes Schmitzer, Ochs – historische Kampfkünste e.V., 2018)

Vom Teilnehmer zum Instruktor: Ende Juli 2018 konnten wir Markus Allocca noch als Teilnehmer des Seminars „Self Defence for Ladies and Gentlemen“ begrüßen. Schnell wurde klar, dass die Chemie stimmte und so baten wir ihn bereits im Herbst ein eigenes Seminar zum Thema „Irish Stick Fighting“ zu bestreiten. Markus Allocca beschäftigt sich seit über 10 Jahren intensiv mit verschiedenen europäischen Kampfsystemen des 19. Jahrhunderts. Den irischen Stockkampf der Familie Doyle trainiert er unter Hendrik Röber (ISF WORDWIDE) seit 2011. Er unterrichtet Kampfkunst und Selbstverteidigung in Waiblingen bei Stuttgart. Practical Shooting und süditalienischer Stock- und Messerkampf gehören zu seinen weiteren Steckenpferden.

Den gesamten ersten Trainingstag dem irischen Stockkampf nach Doyle zu widmen darf als ambitioniertes Vorhaben betrachtet werden, da es als äußerst aggressives, effektives und somit auch kräftezehrendes System gilt. Aufgrund der Wurzeln des Stils in den Faction Fights, liegt der Fokus darauf den Gegner direkt anzugreifen oder diesen bereits mit dem ersten Konter auszuschalten. Basierend auf traditionellem Stockkampf und Pugilism – Gregory Doyle war ein bekannter Boxer – ist es zudem das einzige irische System das den Stock beidhändig nutzt, um so auch auf engem Raum effektiv arbeiten zu können.

Zur Geschichte: Nachdem die Engländer den Iren das Tragen von Schwertern/Säbeln untersagt hatten, wurden Streitigkeiten mit dem Shillelagh ausgetragen. Die traditionelle irische Bezeichnung dafür lautet Bhata oder Bata, was wiederum eine Ableitung von Bataireacht oder Uisce Beatha Bata Rince ist, der irisch-gälischen Bezeichnung für Stockkampf. In den irischen Faction Fights des 18./19. Jahrhunderts trafen sich hunderte und manchmal über tausend Gangmitglieder regelmäßig auf irischen Feldern und trugen dort blutige und tödliche Schlachten aus. Diese Auseinandersetzungen fanden ihre Fortsetzung in den Gang Fights der irischen Auswanderer in den Vereinigten Staaten von Amerika. „Rince an Bhata Uisce Beatha“ ist der einzige authentische irische Stil, der bis in die heutige Zeit überliefert wurde. Der Stil des Doyle Clans (O´Dubhghaill Abu) wurde über Generationen ausschließlich an Mitglieder der Familie Doyle übermittelt. Im frühen 19. Jahrhundert gelangte der Stil durch die Auswanderung der Doyles über Neufundland nach Kanada, wo er bis heute als Familienstil erhalten geblieben ist. Seit dem Tod von Gregory Doyle im Jahr 1998, ist sein Sohn Glen der letzte Doyle, der diese traditionelle Kampfkunst noch weitervermitteln kann. Da Glen Doyle keine Kinder hat, brach er mit Einverständnis seines Vaters die Tradition und gibt sein Wissen um diese einzigartige Kampfkunst auch an Außenstehende weiter, um so deren Weiterbestehen auch über seinen eigenen Tod hinaus zu ermöglichen. Eine sinnvolle Übertragung auf heutige Gegebenheiten liegt zum Beispiel in der Anwendung eines Regenschirms zur Selbstverteidigung.

Am Ende des ersten Trainingstages konnten sich die erschöpften aber voll motivierten 14 Teilnehmer auf dem nebenan stattfindendem Wintermarkt stärken, um dann den Abend nach einem kleinen Fußmarsch in der Waldschenke bei Irish Stew, irischem Craftbier und Whiskey stilecht ausklingen zu lassen.

Der Sonntag war den Schnitttests und Anleitung von Christoph Reinberger gewidmet. Christoph Reinberger ist seit 2003 aktives Mitglied im Verein Ochs – historische Kampfkünste e.V. Seit 2011 unterrichtet er als Trainer mit dem Schwerpunkt Langschwert. Im Laufe der Zeit näherte er sich dem historischen englischen Boxen, dem sogenannten Pugilism an. Seit 2015 hält er in einer eigenen Gruppe ein regelmäßiges Boxtraining ab und gibt hierzu Workshops im In- sowie Ausland. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem sogenannten Bare Knuckle Boxing, womit das Boxen ohne gepolsterte Schutzhandschuhe bezeichnet wird.

Nach einer ausführlichen Sicherheitsbelehrung durch Christoph Reinberger folgten Trockenübungen, die den Unterschied zwischen dem herkömmlichen Einsatz des Schwertes im Fechten und der für Schnitttests optimierten Technik aufzeigten. Im Anschluss an ein mittägliches Grillen konnten sich die Teilnehmer von der Stich- und Schnittwirkung verschiedenster scharfer Waffen wie einer germanischen Spatha, dem Langen Messer, Langschwertern, einem original Schweizer Armeesäbel und einem Blüchersäbel-Replikat überzeugen. Überraschend war, dass das ursprünglich als zu filigran empfundene Original problemlos saubere Schnittergebnisse lieferte. Favoriten waren bei den meisten allerdings das Lange Messer und die Langschwerter, die zahllosen Strohmatten, Tetrapacks und PET-Flaschen ein schnelles Ende bereiteten. Am späten Nachmittag konnte das Seminar zur vollsten Zufriedenheit aller abgeschlossen werden, allerdings nicht ohne bereits das nächste Seminar für den September 2019 zu beschließen.

Einige Impressionen zum Seminar wurden von Markus Allocca in einem Video festgehalten (Copyright: Orbis Martial Arts, 2018):

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