Johannes Liechtenauer
Der Fechtmeister Johannes Liechtenauer ist der Begründer einer Fechttradition, die heute oft als „Deutsche Schule“ bezeichnet wird. Da bei seiner erstmaligen Erwähnung aus dem Jahr 1389 im Ms. 3227a die sonst übliche Formel „dem got genädig sey“ fehlt, ist es möglich, dass er zu dieser Zeit noch lebte. Sicher scheint immerhin zu sein, dass er in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wirkte.
Von Liechtenauer selbst ist kein Dokument erhalten. Er legte seine Lehre entsprechend der mündlichen mittelalterlichen Tradition in Merkversen nieder. Dieses Lehrgedicht wurde später von seinen Schülern und nachfolgenden Autoren weiter überliefert und kommentiert (Die in den Merkversen festgehaltenen Fechtstücke werden als „Zettel“, die Kommentare als „Glossen“ bezeichnet). Die Kerndisziplin der Liechtenauerschen Lehre ist der Umgang mit dem Langen Schwert im Bloßfechten.
Die Gesellschaft Liechtenauers
Mitte des 15. Jahrhunderts nennt Paulus Kal die Namen einer Gruppe von 16 Meistern (u.a. Stettner, Siegmund Ringeck, Martin Hundfeld, Andreas Liegnitzer, Peter von Danzig, und „der Jude“ Lew), die er als „Gesellschaft Liechtenauers“ bezeichnet. Auch wenn diese Aufzählung singulär bei Kal auftritt, der sich damit wohl in die Reihe der alten Meister rücken will, sehen manche moderne Autoren in dieser Gruppe von Schülern der ersten Generationen nach Liechtenauer den Kristallisationspunkt, von dem aus sich die Lehre Liechtenauers so erfolgreich verbreitete. Innerhalb dieser Gruppe entstehen die frühen Fechtbücher zum Langschwertfechten, zudem wird die Kerndisziplin um die Lehren anderer Meister erweitert (z.B. Otts Ringen, Liegnitzers Dolch und Ringen, Hundsfelds Halbschwert etc.).
Die Liechtenauertradition
Unter dem Begriff „Liechtenauertradition“ versteht man heute die schriftliche Tradierung der Fechtlehre Liechtenauers, die sich in Abschriften und Fortschreibungen der Zettel (der ursprünglichen Merkverse) und Glossen in den Fechtbüchern nachweisen lässt. Dabei ist zwischen 1389 und den späten Werken des 16. und 17. Jahrhunderts natürlich eine Entwicklung und Erweiterung zu erkennen – genauso wie auch bei einzelnen Autoren: Während beispielsweise Paulus Kal und Hans Talhoffer in ihren frühen Werken noch eindeutig in der Tradition Liechtenauers stehen, lassen sich später einige individuelle Ausprägungen ihrer Fechtkunst erkennen. Ein Großteil der deutschsprachigen Fechtbücher zum Fechten mit dem Langen Schwert lassen sich der Liechtenauertradition zuordnen. Allerdings gibt es durchaus einige Passagen und auch ganze Bücher, die eindeutig außerhalb dieser Tradierungslinie stehen und auch nicht in diese aufgenommen wurden.
Die Fechtergilden
Etwa eine Generation nach der „Gesellschaft Liechtenauers“ taucht die Gilde der Markus- oder Marxbrüder auf. Diese nach dem Vorbild der Handwerksgilden organisierte Bruderschaft mit Hauptsitz in Frankfurt ist ab 1474 urkundlich belegt. Später, Ende des 16. Jahrhunderts, kommen die Prager Veits- oder Federfechter hinzu (belegt seit 1574) und im 17. Jahrhundert die Lukasbrüder.
Das Langschwertfechten wird ab dem Ende des 15. Jahrhunderts immer mehr zum bürgerlichen Breitensport: Auf öffentlichen Veranstaltungen den sog. „Fechtschulen“ werden Turniere ausgetragen. In Belgien wurden nachweislich bis 1750 Turniere mit dem Langen Schwert durchgeführt. Gleichzeitig beginnt aber auch der Niedergang des Langen Schwertes: Als Gebrauchswaffe wird es zunehmend vom Rapier abgelöst, während es sich beim Militär zum größeren Schlachtschwert („Bidenhänder“) entwickelt und schließlich zu einem übergroßen, im Zweikampf unbrauchbarem Repräsentationsobjekt wird. Das letzte Fechtbuch, das in der Tradition Liechtenauers steht, stammt von Theodor Verolini (1679). Allerdings handelt es sich dabei größtenteils um ein Plagiat des Werkes von Joachim Meyer (1570, 1600 und nachgedruckt 1660).
(Quellen: Hans-Peter Hils: Meister Johann Liechtenauers Kunst des langen Schwertes, Frankfurt a.M./Bern/New York 1985; Dieter A. Bachmann: Talhoffer und die Tradition Liechtenauers, in: André Schulze: Mittelalterliche Kampfesweisen Bd. 2, Mainz 2007, S. 26-30)
Mehr Informationen über die Fechtergilden finden sich in dem Artikel über die Geschichte der Fechtkunst hier als PDF.
Einen historischer Artikel über Fechtschulen gibt es hier als PDF.