Rückblick: Besuch des Münchner Stadtmuseums (Dezember 2023)
Wie schon in den letzten Jahren war unser Verein auch zum Ausklang des Jahres 2023 mit dem Kunsthistoriker Dr. Wolfgang Urbanczik in einem Münchner Museum zu Besuch, diesmal in dem Münchner Stadtmuseum. Es beherbergt die drittgrößte Rüstungssammlung der Welt, von der wir uns zumindest einen kleinen Ausschnitt ansehen konnten.
Gegründet 1888 als Historisches Museum (von Ernst von Destouches und Arnold Zenetti) galt das Stadtmuseum als bürgerliches Pendant zum königlichen Bayerischen Nationalmuseum. Seinen Platz fand es im ehemaligen städtischen Zeughaus, dessen Wurzeln im 15. Jahrhundert liegen, und dem ehemaligen Marstall, heute eine Rekonstruktion und Sitz von Filmmuseum und Stadtcafé.
Unseren Rundgang durch das Museum beginnen wir direkt vor dem hölzernen Stadtwappen (um 1780) am Eingang der Dauerausstellung „Typisch München“, bei dem es sich um das größte erhaltene Exemplar aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert handelt. Die auf dem Wappen dargestellte Figur, von allen „Münchner Kindl“ genannt, hat im Laufe der Zeit ganz unterschiedliche Wandlungen erfahren. So wurde der anfangs abgebildete männliche Mönch, von dem sich ja der Stadtname München ableitet, in seinen Darstellungen zunehmend kindlich und im 19. Jahrhundert sogar weiblich.
Im nächsten Schritt gehen wir anhand von Stadtmodellen auf Spurensuche zur Stadtentwicklung Münchens. Der historische Kern der Stadt war (und ist) der Marienplatz im Zentrum. Einerseits hatte der ehemalige „Schrannenplatz“ eine Marktfunktion, woran zum Beispiel der Fischbrunnen (am Ort des ehemaligen Fischmarkts) erinnert. Andererseits war der Platz schon immer Münchens urbane Mitte. Entstanden ist er als Kreuzung zweier Handelsstraßen: der Weinstraße von Süden nach Norden und der Salzstraße von Osten nach Westen. Letztere verlief vom Gasteig, dem „gachen Steig“, über die Salzbrücke ins „Tal“. Dort machten die Salzhändler Rast, weshalb es auch heute dort zahlreiche Restaurants gibt.
Wie die Stadt München bereits im Mittelalter wächst und gedeiht, lässt sich am kleineren Stadtmodell, einer Kopie aus dem Jahr 1930 nach dem originalen Sandtner-Modell von 1570 (im Bayerischen Nationalmuseum), ablesen. Zu erkennen sind die Verläufe der ersten und zweiten Stadtmauer. Das von der ersten Stadtmauer begrenzte Areal wird „Heinrichs-Ei“ genannt (nach dem Stadtgründer Heinrich dem Löwen), der Verlauf der zweiten Mauer erinnert an einen Pilz oder eine Armbrust. Die später errichteten Kunstmuseen (Glyptothek, Pinakotheken…) befinden sich also außerhalb der alten Stadt.
Das 19. Jahrhundert ist schließlich die Zeit, in der sich München zu einer Großstadt entwickelt. Sichtbare Zeichen sind lange Straßenzüge, die heute nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken sind: Ludwigstraße, Maximilianstraße und Prinzregentenstraße. In der zuletzt angelegten Prinzregentenstraße befindet sich auch das Haus der Kunst, ein von den Nationalsozialisten als „Haus der Deutschen Kunst“ errichtetes Ausstellungsgebäude. Es hob mit seiner riegelartigen Architektur die ursprüngliche Verbindung von Hofgarten und Englischem Garten auf. Diese Verbindung gab es seit dem Jahr 1789, als der zur Residenz gehörende Hofgarten der Eingang zu einem Garten für alle Bürgerinnen und Bürger wurde. Auch der in der Maxvorstadt gelegene Königsplatz wurde immer wieder neu erfunden und inszeniert. Heute verändert die soziale Entwicklung mitsamt ihrer Krisen (Corona, Insolvenzen) das Stadtbild unablässig weiter.
Im Weiteren betrachten wir einen der größten Kunstschätze Münchens: die sogenannten Moriskentänzer. Die zehn Figuren wurden um 1480 von Erasmus Grasser (um 1450-1518) geschaffen und waren ursprünglich im Tanzsaal des Alten Rathauses aufgestellt, zusammen mit dem Wappen Kaiser Ludwigs des Bayern, dem Kaiseradler und dem weiß-blauen Wappen der Wittelsbacher. Die dynamischen, individuell wirkenden Figuren entsprechen dem „Bildtypus des tänzelnden Wappenträgers“ und waren Teil eines kosmologischen Programms, das die zugehörige Monddarstellung – eine Luna mit Kappe – anzeigt. Zugleich führen die Figuren eine Art „Balztanz“ vor und stehen so für Lebensfreude. Bemerkenswert ist, dass es sich bei dieser Gruppe um die einzige plastische Darstellung des aus dem maurischen Spanien stammenden Moriskentanzes in der Kunstgeschichte handelt.
Für mich persönlich (siehe Bildergalerie) waren die sogenannten Heldenputten ein Highlight der Sammlung. Dabei handelt es sich um die originalen Bronzefiguren, hergestellt 1638, deren Kopien unterhalb der Mariensäule am Marienplatz aufgestellt sind. Sie kämpfen gegen die Übel der Menschheit, symbolisiert durch einen Drachen, zwei Mischwesen und eine Schlange, und lassen sich als die „Armee der Maria“ deuten. Im Geist der katholischen Gegenreformation kämpfen die in Rüstung gezeigten Putten gegen Protestantismus (Schlange), Hunger (Drache), Krieg (Mischwesen aus Löwe und Drache) und die Pest (Basilisk, Mischwesen aus Hahn und Drache). Besonders schwierig war anscheinend der Kampf gegen die Pest: Der Basilisk war, da er wie die Medusa alles in Stein verwandeln konnte, was er anblickte, nur durch seinen eigenen Anblick zu besiegen. Daher hält der Heldenputto dem Wesen sein glänzendes Schild entgegen. Abschließend betrachteten wir noch weitere Exponate zur Stadtgeschichte (siehe Bildergalerie), darunter gemalte (Ideal-)Stadtansichten, Stadtpläne und Werbeplakate. Aus den Stadtansichten ragt ein Ölgemälde von Leo von Klenze heraus, mit dem der Architekt seine Vision der späteren Propyläen vorstellte. Eindrucksvolle Werbeplakate sind die Plakate für Starnberg (von Ludwig Hohlwein), den „Simplicissimus“ (von Thomas Theodor Heine) und die Olympischen Spiele 1972 (von Otl Aicher). Sie rundeten unseren Museumsbesuch bis ins Hier und Heute ab.
Artikel: Robert Weissenbacher